Bereits im letzten Sommer wollten wir, Stefanie Gester vom AC Stuttgart und Nicole Wölfel vom FSV Rudolstadt, an der Thüringer Meisterschaft im Streckensegelflug (THM) teilnehmen. Unser Cockpit-Tandem entstand, als wir uns am Rande der THM 2019 als einander noch völlig unbekannte Pilotinnen zufällig begegneten. Bereits im ersten Gespräch merkten wir, dass wir gut zueinander passen. So entstand die Idee, gemeinsam im Doppelsitzer einen Wettbewerb bestreiten zu wollen.
Gesagt, getan: Dank des Dr. Angelika Machinek Fördervereins Frauensegelflug e. V. hatten wir mit dem Janus C ein passendes Flugzeug verfügbar. Nur leider fiel die THM 2020 pandemiebedingt aus. So nutzten wir die beiden Sommerwochen, um uns mit dem Förderdoppelsitzer vertraut zu machen. Wir erprobten erfolgreich das Teamwork im Cockpit, arbeiteten an unseren Strategien und bereiteten uns auf unseren ersten gemeinsamen Wettbewerb vor. Denn eines war uns klar: Bei der nächsten möglichen THM sind wir dabei!
Glücklicherweise konnte die THM 2021 auf dem Flugplatz Rudolstadt-Groschwitz vom 5. – 15.8.2021 tatsächlich stattfinden. Um optimal präpariert zu sein, wollten wir die Tage vor Wettbewerbsbeginn für einige Trainingsflüge verwenden. Das Wetter meinte es jedoch gar nicht gut mit uns, so dass der Janus C zunächst im Anhänger blieb. Am zweiten Wettkampftag verbesserte sich das Wetter zumindest so weit, das aufgerüstet werden konnte. Tags darauf wurde es meteorologisch wieder ein bisschen optimistischer, allerdings reichte es nicht für einen Wertungstag. Wie einige andere Piloten auch, nutzten wir das kleine Wetterfenster, um endlich aufsteigen zu können. Glücklich und zufrieden glitten wir mit dem Janus C durch die Luft. Hoch motiviert und voller Hoffnung auf besseres Wetter blickten wir auf die vor uns liegenden Wertungstage.
Im Starterfeld von insgesamt 34 Segelflugzeugen traten bis auf uns beide ausschließlich männliche Piloten an. Wir wurden mit dem Janus C in die neun Flugzeuge zählende Große Clubklasse eingeordnet und wollten uns als Frauendoppelteam natürlich behaupten – auch wenn die reine Freude am sicheren Tun und die großartige Gemeinschaft aller Piloten und Helfer immer im Vordergrund stehen. Der Wettergott ermöglichte erst am 8.8. einen ersten Wertungstag. Die meteorologischen Bedingungen gestalteten sich weiterhin schwierig, da – wie an allen kommenden Wettbewerbstagen auch – Abschirmungen die Luftmasse beherrschten. So brachen wir die erste Tagesaufgabe frühzeitig ab, um wieder in Rudolstadt landen zu können.
Am zweiten Wertungstag erreichten wir dann immerhin die beiden Wendepunkte, jedoch lag auf Heimatkurs die prognostizierte Abschirmung, einer thermikverhindernden Zange gleich. Ebenfalls auf dem Weg Richtung Heimathafen befindet sich der Flugplatz Jena-Schöngleina, wo wir bereits von vier weiteren Wettbewerbsmitstreitern erwartet wurden. Per F-Schlepp ging es zurück nach Rudolstadt. Weiterhin höchst motiviert, erreichten wir am dritten Wertungstag den ersten Wendepunkt schnell und flogen flott voran in Richtung zweite Wende. Jedoch war in deren Richtung alles blau und die vorhergesagte Abschirmung zog rasch hinein. Wir brachen neuerlich ab und schafften es glücklicherweise noch zurück nach Rudolstadt.
Nebenbei sei erwähnt, dass an diesem Tag nur ein Pilot unserer Klasse die ausgeschriebene Aufgabe vollenden konnte. Ohne Heimkehrhilfe im schwer abzurüstenden Doppelsitzer flogen wir im Vergleich zu den mehrheitlich motorisierten Mitstreitern grundsätzlich mit etwas weniger Risiko. Dennoch ließen wir uns nicht „hängen“ und wollten es am vierten Wertungstag endlich schaffen. Vom Rande des Thüringer Waldes über die herrlich anzusehenden Saaletalsperren lief bis zur ersten Wende in Auerbach alles ausgezeichnet. Wir sprangen ab ins Erzgebirge und näherten uns entlang des Gebirgskammes unserem zweiten Wendepunkt Jahnsdorf. Die Wettervorhersage stimmte – die thermischen Bedingungen dort waren schlecht. Wir kurbelten uns in einem letzten Bart noch einmal ganz nach oben, um dann schnell den Zylinder Jahnsdorf zu erreichen und über das thermisch weiterhin aktive Erzgebirge den Heimweg antreten zu können. Leider ging unser Plan nicht auf und wir bekamen den Absaugeffekt des Erzgebirges deutlich zu spüren. Die gute Höhe war rasch dahin, keine Wolke zog mehr und letztendlich tat sich eine passende landwirtschaftliche Nutzfläche als Landeacker unter uns auf. Die Menschen in der angrenzenden Ortslage empfingen uns aufs Allerherzlichste. Sie reichten kühle Getränke, wir durften auf ihrer Hollywoodschaukel im privaten Garten Platz nehmen und bekamen frische Eier aus dem hauseigenen Hühnerstall mit auf den Heimweg. Sehr hilfreich war zudem der verfügbare Traktor, um unser „Dickschiff“ durch den sehr weichen Boden an den Feldrand ziehen zu können. Vielen lieben Dank nochmals an die Bewohner von Grüna!
Die Mühe hatte sich gelohnt, denn wir erreichten Platz 2 in der Tageswertung. Am nächsten Morgen rüsteten wir für den letzten Wertungstag wieder auf und befreiten unser Flugzeug vom Feldstaub. Es ging im wahrsten Wortsinn ins Blaue hinein. Nur drei Piloten des gesamten Wettbewerbsfeldes umrundeten an diesem Tag den gesteckten Kurs. Auch wir stellten uns der Herausforderung: Obwohl wir beide keine großen Fans von Blauthermik sind, sammelten wir ein paar Punkte und beschlossen die THM mit einem sehr schönen Flug. Am Abschlussabend nahmen wir glücklich und zufrieden unsere Urkunden zum 6. Platz entgegen und feierten in großer Runde eine rundum gelungene Meisterschaft. Im nächsten Jahr möchten wir gerne wieder teilnehmen und hoffen, vielleicht ein paar mehr Pilotinnen im Starterfeld vorzufinden. Interessentinnen sind herzlich eingeladen, auf https://www.am-foerderverein.de/ vorbeizuschauen oder mit den Autorinnen Kontakt aufzunehmen.
Unser herzlicher Dank gilt dem Dr. Angelika Machinek Förderverein Frauensegelflug e. V. für das Vertrauen und die Verfügbarkeit des Förderflugzeuges. Ebenso danken wir den Ausrichtern der THM 2021 und allen lieben Menschen, die uns geholfen und unterstützt haben.
Stefanie Gester (AC Stuttgart/LSV Greiz)
Nicole Wölfel (FSV Rudolstadt)